Surfen für Anfänger
- L.
- 17. Apr. 2018
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Okt. 2018
Unsere ersten Schritte auf dem Surfbrett
Gerade sitze ich auf einer der kuscheligen Sitzbänke vor dem Surfcamp und lasse die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf meine verbrannte Haut fallen.
Aber eins nach dem andern.
Mittlerweile befinden wir uns auf der Halbinsel Nicoya in Santa Teresa – ein Surferhotspot. Unser Ziel: surfen lernen. Mit der Erfahrung P’s Bruders, der hier monatelang in einem Surfcamp gearbeitet hat und nebenbei die Wellen bezwang, machten wir uns mit Sack und Pack auf, um das ganze Land zu durchqueren. Zuvor hielten wir uns in Puerto Viejo auf, also an der karibischen Küste. Eine Nacht in San José, etliche Busstunden und eine wunderschöne Fährenfahrt später kamen wir schliesslich im Paradies an. Wir wurden herzlich begrüsst – wie schön, dass am Abend unserer Ankunft die neu gebaute Bar Eröffnungsfeier hatte. Alles Deutsche, Schweizer oder Österreicher hier, dementsprechend konnten wir unser Deutsch mal wieder aufpolieren, auch nicht schlecht.
Am nächsten Tag ging es los mit unserer ersten Surfstunde. Da P schon Surferfahrung mitbrachte, stürzte er sich alleine in die Wellen. M und ich hingegen waren blutige Anfänger, die von all dieser Wucht da draussen noch gar nichts ahnten.
Wie erging es uns in den ersten paar Tagen, welche Fortschritte haben wir gemacht und wo stehen wir jetzt?

Tag 1 - 4
Unsere Vorfreude war nicht zu bändigen. Wir waren bereit, in die Welt des Surfens einzutauchen. Gero, unser Surflehrer, war ganz sympathisch. Er hat uns die ersten paar Basics beigebracht. Das heisst: Position auf dem Bord, Paddeltechnik, Umgang mit dem Board, Aufstehtechnik und schliesslich die letztendliche Surftechnik. Nach dem kurzen Crashkurs gingen wir ins White Water. Bitte was? Ja, das dachten wir uns auch. Was ist denn bitte das White Water, und was gibt es anderes? Nun, die Aufteilung sieht wie folgt aus, ohne jetzt zu weit auszuholen:
Das White Water ist die Zone direkt am Strand, in der schon alle Wellen gebrochen sind und man nur noch weisse Schaumwellen sieht. Sie befindet sich direkt am Strand. Diese kleinen Wellen sind perfekt, um die ersten paar Schritte im Surfen zu meistern. Hinter dem White Water befindet sich die Impact Zone, oder auch bad zone genannt. In diesem Bereich möchte man sich als Surfer nicht aufhalten. In dieser Zone lädt sich all die Energie aus dem offenen Meer ab. Das heisst: hier brechen alle Wellen, also so schnell wie möglich rein-oder rauspaddeln! Dahinter folgt das Line Up – dort, wo das eigentliche Surfen beginnt. Grosse Grünwasserwellen und eine Happy Zone dahinter, in der man keine Angst vor grossen, furchteinflössenden Wellen haben muss und sich ausruhen kann.
Also gut, wir fingen ganz vorne an. Unsere ersten erfolgreichen Weisswasser Wellen fühlten sich super an. Wir konnten schon am ersten Tag oft aufstehen und die kurzen Wellen geradeaus nach vorne reiten. Paddeln mussten wir noch nicht grossartig, denn unser Surflehrer hat uns anfangs noch hineingeschubst. An Tag 2 wechselten wir den Surflehrer.Cris war nun der glückliche, der uns zu Surfern machen durfte. Ab Tag 2 hatten wir schliesslich auch den Luxus des Hineingeschubst-Werdens nicht mehr. Allgemein muss man im Weisswasser aber kaum paddeln. Man verbringt viel Zeit damit, neben seinem Brett zu stehen um es über die Schaumkronen zu manövrieren. Dazu kämpft man jedoch sehr stark mit der Strömung, was anstrengend sein kann.
Die nächsten paar Tage verliefen super. Wir machten schnelle Fortschritte, lernten schliesslich auch wie man nach links und rechts fährt und wurden sicher in Position, Stand und Surftechnik. Es war zu schön um wahr zu sein! Wir wollten mehr! Nach 4 Tagen zwei Mal täglichem Surftraining, ob mit oder ohne Cris, waren wir scheinbar bereit für das Line Up!

Tag 5-13
Das erste Mal Line Up stand bevor! M und ich spuckten grosse Töne – unsere Erwartungen waren gross und wir freuten uns riesig. Um rauszupaddeln benutzten wir den sogenannten Channel. Eine Art Laufband, das einen schnell und ohne brechende Wellen nach draussen befördert. Da die Kraft der hineinbrechenden Wellen irgendwo ja wieder hinaus ins offene Meer muss, gibt es schliesslich auch einen Ort, an dem die Meeresströmung raus verläuft -in Richtung Meer. Genau in dieser Zone möchte man sich als Schwimmer nicht aufhalten! Als Schwimmer hat man nämlich keine Chance, diesen Strömungen zu entkommen oder gegen sie anzukämpfen. Man muss sich also rausziehen lassen und dann im richtigen Moment im 90 Grad Winkel in Richtung Impact Zone schwimmen – dort, wo alle Wellen brechen die Energie in Richtung Strand fliesst. Die Impact Zone - als Schwimmer angenehm und sicher, als Surfer nicht! Nun liefen wir schliesslich den Strand entlang zum Channel. Auf die Bretter, fertig los! Wir paddelten was das Zeug hielt nach draussen. Auf der Hälfte der Strecke wurde es unheimlich anstrengend. Ich habe gefühlt noch nie die besagten Muskelzonen, die man zum Paddeln braucht, benutzt. Zähne zusammenbeissen und schon bald befanden wir uns in der Happy Zone. Erstmal Arme ausschütteln und Schultern kreisen. Ein bisschen mehr Paddeln, um der Strömung zu entweichen und TADA! Wir hatten es geschafft.
Wir befanden uns draussen im Meer. Der Strand war zwar in Sichtweite, aber wir hatten keinen Boden unter den Füssen.
Die ersten Grünwasser Wellen, die wir versuchten zu surfen, endeten in der Welle, anstatt auf der Welle. Das kann schon ganz schön frustrierend sein. Man gelangt in eine Waschmaschine – so nennt man das, wenn man quasi von der Welle gefressen und ordentlich durchgeschüttelt wird, wie in einer Waschmaschine eben. Bei kleineren Wellen ist das ja noch aushaltbar - doch dann kam das Set.
Hä, Set? Was ist das jetzt schon wieder?
Ein Set besteht aus 3-5 Wellen. Aber nicht irgendwelchen Wellen, nein. Als Set-Wellen bezeichnet man die grössten Wellen mit der meisten Kraft und Energie. Man weiss nicht genau, wo und wieso diese entstehen, doch sie kommen in Zeitabständen von 10-30 Minuten. Wenn ein Set kommt, freuen sich alle Pro-Surfer und wir Anfänger bekommen zu spüren, was Waschmaschine wirklich heisst.
Wenn du Glück hast, befindest Du Dich in der Happy Zone, wenn am Horizont langsam das Set zu erkennen ist. Dann brechen die Wellen nicht vor dir und du gelangst locker flockig über den riessigen Berg Salzwasser. Wenn du aber im Line Up sitzt, um die normalen Grünwasser Wellen zu surfen, dann hast du einfach nur Pech. Mit viel Anstrengung schafft man es eventuell noch knapp über den Giganten, doch mit grosser Wahrscheinlichkeit muss man das Gemetzel einfach überstehen. Aber wie? Einige mögen vielleicht mit viel Mut, mentaler Stärke und angstfrei zur Welt gekommen sein, doch viele andere bekommen Angst. Manche können die Situation aber durch schöne Gedanken und ruhigem Atmen ganz gut überstehen. Natürlich ist es trotzdem extrem anstrengend von 5 riesigen Wellen, die in kürzesten Abständen angerollt kommen, durchgespült zu werden. Doch schlussendlich ist es machbar. Einige wenige, zu denen ich gehöre, bekommen Panik. Und so eine Panickattacke ist echt unpraktisch in solch einer Situation. Unkontrolliert in Richtung Oberfläche schwimmen wollen - wobei man in einer Waschmaschine keinerlei Orientierung hat - Schnappatmung und Sauerstoffknappheit, das sind nur ein paar Zeichen.
In diesen 8 Tagen Line Up hatten wir gute und schlechte Wellen, Spass und Frustration, sowie gute und schlechte Bedingungen. Im Surfen kommt es nämlich nicht nur auf deine Technik an. Vielmehr muss man Wind, Swell, Ebbe und Flut und vieles mehr dazu berechnen. Somit entstehen unterschiedliche Surfbedingungen, die täglich wechseln und die als Anfänger besser und schlechter sein können. Beeinflussen kannst Du rein gar nichts.
Wenn Du's aber schaffst mit einer Welle zu gehen, auf Deinem Brett aufzustehen und auf der Welle entlangzugleiten, fühlst Du Dich frei und grossartig. Es ist eins der unglaublichsten Gefühle, das süchtig machen kann. Man erkennt, für was sich die Anstrengung und Angst lohnt.
Surfen ist eine harte Sportart, in der man nicht nur physische Stärke beweisen, sondern auch extreme physische Kraft kreieren muss. Man muss über sich hinauswachsen und akzeptieren, dass man machtlos gegen diese Riesenbadewanne namens Meer ist. Kontrolle abgeben und sich dieser enormen Kraft vollkommen hingeben – das ist das Schwierigste am Surfen lernen. Manche sind besser darin wie andere. Für mich persönlich ist der mentale Kampf noch nicht zu Ende, ich kämpfe weiter.

Heute morgen sass ich auf dem Sand, eingekuschelt in P’s Arme, blickte zum Horizont zu all den Surfern und hatte Tränen in den Augen. Das Atmen fiel mir noch immer etwas schwer. Neben mir lag mein Surfboard. Eine Panickattacke zwang mich, aus dem Wasser zu kommen. P hat mir liebevoll dabei geholfen. Mit meiner Kraft am Ende und enttäuscht von meinem Versagen, sass ich nun am Strand und blickte zu all den Erfolgsgeschichten. All die Surfer, die wohlmöglich durch das Gleiche oder durch Ähnliches gegangen sind, um nun dort zu stehen, wo sie sind.
Als ich nun also da am Strand sass, frustriert und wütend auf mich selbst, kam plötzlich eine Frau zu mir. Sie hielt ein kleines Surfbrett unterm Arm.
„Hey, are you crying because you are scared? I tell you something: When I started surfing, I cried my eyes out because I was so scared, and it still happens to me now. Surfing is the hardest sport you can do. Don’t give up and keep fighting!“
Und dann war sie auch schon wieder weg. Ich dachte über diese inspirierenden Worte nach. Dabei fing ich mir den schlimmsten Sonnenbrand meines Lebens zu. Aber ich kam auch zu der Erkenntnis: Don't give up!
¡Hasta luego!
L.






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