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Zwischen Flammen und Frieden - Nicaragua

  • Autorenbild: L.
    L.
  • 9. Mai 2018
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 20. Okt. 2018

Isla de Ometepe, Nicaragua


Unsere Reise führte uns mit grossen Erwartungen zum Nachbarn Costa Ricas – Nicaragua. Vorher kaum etwas von diesem Naturjuwel gehört, stand es ursprünglich auch nicht auf unserer To-Do Liste. Doch Erzählungen anderer Reisender, Ticos und P’s Bruder überzeugten uns, es aus Costa Rica zu wagen. Nach ziemlich genau zwei Monaten, die wir an der Reichen Küste Zentralamerikas verbrachten, wurde es Zeit, weiterzuziehen. Wir haben gefühlt jeden Winkel und alle Ecken des Landes erkundet. Dabei haben wir einige einheimische, viele ausländische Freunde, die auf der ganzen Welt verteilt leben, gefunden, wir haben die verrücktesten Tiere und Pflanzen kennengelernt und dabei immer schön unser Spanisch verbessert. Mit dem lokalen Bus ging es schliesslich von unserem letzten Zuhause – Playa Negra, das in der Umgebung von Tamarindo liegt – nach Liberia. Von dort dann nach Peñas Blancas, um zu Fuss die Grenze nach Nicaragua zu überqueren. Super easypeasy. Man muss einen kleinen Beitrag zahlen, seinen Pass ungefähr 20 Mal vorzeigen und das war’s. Die Lady an der Gepäckkontrolle spielte lieber Candy Crush auf ihrem Smartphone, anstatt die Backpacks nach möglichem Drogenschmuggel, Waffen oder Ähnlichem zu kontrollieren – die Sicherheitsstation war also nonexistent. Ab hier beginnt unsere Reise in die Eskalation. Die Reise in einen möglichen Bürgerkrieg. Amerika hat mittlerweile alle Diplomaten aus Nicaragua abgezogen. Wir haben das Land ebenfalls fluchtartig verlassen – wie so viele andere Reisende und Bewohner. Doch wie kam es dazu? Ich beginne von vorne.

Der Tag, an dem wir in das Land einreisten – das war der 19. April 2018 – war auch der Tag, an dem Nicaraguas Diktator Daniel Ortega neue Rentenreformen präsentierte. Dabei sollten die Sozialversicherungsbeiträge um 22,5 Prozent erhöht werden und zugleich die Renten um 5 Prozent gekürzt werden. Mit anderen Worten: Senioren und der Rest der Bevölkerung sollten ausgebeutet werden. Und das im zweitärmsten Land Lateinamerikas. Viele Rentner, aber auch junge Menschen und Studierende gingen daraufhin auf die Strasse. Zuerst bekamen wir davon wenig mit. Der Grenzwächter wies uns nur darauf hin, dass momentan gestreikt wird und deswegen keine lokalen Busse fahren. Wir sollten doch lieber ein Taxi nehmen. Kann passieren, dachten wir uns, ohne zu wissen in welchem Ausmass diese Streiks stattfinden würden. Wir handelten einen sehr guten Preis mit unserem Taxifahrer aus und befanden uns 40 Minuten später in Rivas – eine Hafenstadt am grössten Süsswassersee Zentralamerikas. Im Nicaraguasee befindet sich die Vulkaninsel Ometepe, die aus Maderas, dem kleineren, und Concepción, dem grösseren Vulkan besteht. Das war unser Ziel. Aber bevor wir mit der Fähre auf die Insel gelangen würden, schliefen wir eine Nacht in Rivas. Die Rezeptionistin legte uns dabei ans Herz, auf gar keinen Fall ins Zentrum der Stadt zu gehen. Wir sollten ausserdem die Nähe zum Park vermeiden – die Proteste dort seien zu stark und gefährlich für uns. Kein Problem, dachten wir uns, noch immer ahnungslos von den Ausschreitungen, die im ganzen Land in Richtung Eskalation deuteten. Am nächsten Morgen brachte uns ein Taxi zur Fähre, die uns nach knapp einer Stunde Fahrt nach Moyogalpa brachte. Moyogalpa ist die Hauptstadt Ometepes. Ebenfalls eine Hafenstadt, die nicht besonders schön, aber dafür praktisch ist. Aus diesem Grund machten wir uns kurz nach unserer Ankunft auch davon. Wir mieteten drei Scooter, um auf die andere Seite der Insel, nach Balgüe, zu fahren. Die Strassen waren zu unserem Erstaunen neu gepflastert und sehr angenehm zu fahren. Die Natur, durch die wir düsten, war wunderschön verwunschen. Der erste Eindruck begeistere uns!Unser Hostel begeisterte uns nicht weniger. Zopilote – ein Hippie Hostel, das zuerst eine 15 minütige Wanderung bergauf verlangte. Schweissgebadet oben angekommen, bemerkten wir, dass sich die Anstrengung gelohnt hatte. Überall freundliche Gesichter inmitten der Natur. Die freundliche Dame am Empfang zeigte uns das Gelände und führte uns zu unserem Bungalow. Dabei wurde uns klar: dieses Hostel ist kein normales Hostel. Hier wird nach dem Prinzip Permakultur gelebt, gebaut und gegessen. Über diese aussergewöhnliche Lebensart und das Hostel berichte ich aber in einem anderen Beitrag, seid gespannt!

Rezeption, Essensbereich und Chill-out Lounge dahinter

einer der verwunschenen Wege der Anlage

Wir richteten uns also gemütlich ein, lernten tolle und interessante Leute kennen und bekamen weiterhin wenig von all den Ausschreitungen mit. Am nächsten Tag nutzten wir noch unsere Scooter aus, um die ganze Insel zu erkunden. Dabei stiessen wir auf die schönsten Orte, staubige und steinige Strassen, die beinahe unbefahrbar waren, auf Quellen und schöne Strände, auf tolle Ausblicke und auf lokales Leben. Anders wie erwartet ist die Insel nicht ausschliesslich touristisch. Hier gibt es viele Einheimische und kleine Dörfer, die ruhig und abgelegen wirken.


Ausblick auf den Vulkan Concepción

Ojo de Agua - ein unterirdischer Vulkanfluss kommt zum Vorschein


Ojo de Agua

Blütenstaubschnee


Ausflug mit dem Scooter

Sonnenuntergang am See



Nach unserer Entdeckungstour begann es langsam, konkreter zu werden. Wir hörten vermehrt Geschichten über Reisende, die auf der Insel ausgeraubt wurden. Was aber eigentlich nicht aussergewöhnlich ist – denn auf Ometepe sollte man sowieso nie in kleinen Gruppen oder alleine nach Sonnenuntergang unterwegs sein. Ein Blick in die Nachrichten und die Ohren nach rechts und links richten, öffneten uns langsam die Augen. Alle grossen Städte des Landes befanden sich im Ausnahmezustand – Managua, Léon, Granada, Bluefields etc. standen unter Flammen und kriegsähnlichen Zuständen. Nicht nur die Medien im Internet machten uns das klar, sondern auch die Masse der Neuankömmlinge, die Zuflucht auf der Insel suchte. Wir bekamen Geschichten zu hören, die verstörend klangen. Brennende Häuser, ständige Schusswechsel, Schreie, Blut, eingeschlagene Fenster und vieles mehr. Einige Reisende wurden in ihren Hostels eingesperrt um nicht Opfer der Gewalt zu werden. Die Anzahl der Toten stieg stetig und die Angst in uns auch. Als es dann plötzlich hiess, die Polizei verlasse die Insel um Einheiten auf dem Festland unterstützen zu können, spitzte sich die Situation zu. Keine Polizei bedeutet Rechtsfreiheit für alle. Die Kleinkriminellen kamen schliesslich aus ihren Löchern gekrochen und bedrohten mit Waffen und Macheten kleine Touristengruppen. Es hätte mehr passieren können, ist es zum Glück schliesslich aber nicht. Die Insel Ometepe schien somit der einzige sichere Fleck des Landes zu sein. Und wir mittendrin. Diese Umstände kreierten eine einzigartige Atmosphäre im Hostel. Eine Art Gemeinschaftsgefühl kam auf, man rückte nähe zusammen. Deutlich wurde das besonders an der Pizza Night – unser letzter Abend, die letzte unvergessliche Nacht an diesem magischen Ort, der von zwei Vulkanen umgeben wird. Pizza Night findet zwei Mal pro Woche statt, immer dienstags und donnerstags. Der italienische Besitzer des Hostels erbaute eine kleine italienische Ecke geformt aus Steinen. Ein grosser Steinofen ist das Herz des Ganzen, umgeben von Tischen und Bänken, einer Bar und einer Tanzfläche. Die Pizza dort gleicht einem italienischen Gedicht – mehr Mittelmeer-Feeling ging nicht. Dazu eine Feuershow, die vom Besitzer selbst und weiteren Freiwilligenarbeitern des Zopilote gestaltet wurde. Eine After-Party an einer Bar am Strand des Süsswassergiganten rundete das Erlebnis ab. Aus einer beunruhigenden Ausgangslage wurde somit ein unvergesslicher Aufenthalt. Wir kommen zurück!

Am nächsten Morgen wurden wir von einem netten Fahrer abgeholt. Ein kleiner Bus stand uns Drein zur Verfügung. Mithilfe meines Vaters und seinem sehr hilfsbereiten Bekannten konnten wir das Land, das ausserhalb der Insel noch immer in Flammen und Unruhen steckte, verlassen. An diesem Tag zog Amerika seine Botschaftsangehörigen aus Nicaragua, wegen der Befürchtung, ein Bürgerkrieg könnte ausbrechen. Doch wie sieht es heute aus, drei Wochen später? Die Lage hat sich beruhigt. Es wird sogar von beiden Seiten von Friedensverhandlungen gesprochen – auf Seiten des Präsidenten, sowie auf Seiten der Kirche und grossen Teilen der Bevölkerung. Grosse Friedensmärsche finden statt, an denen die Geschehnisse der letzten Wochen jedoch nicht vergessen werden. An die Opfer der Ausschreitungen wird noch immer präsent gedacht. Unser Weg ging in Panama weiter. Ich werde aber zurückkommen nach Nicaragua – ein Land, das mehr zu bieten hat als politische Eskalation und Armut. Von unserer Zeit in Panama erfahrt ihr bald mehr! Momentan bin ich viel dabei, Erinnerungen und Eindrücke aufzusaugen, um bei meiner Rückkehr eine Menge erzählen zu können. Auf zwischendurch ein wenig Schreiben kann ich aber nicht ganz verzichten.


In diesem Sinne

–¡Hasta luego!

L.

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